Käsemilben

Die Winzlinge aus Würchwitz

Ohne ihr Zutun ist alles nichts: die Käsemilbe – im Fachjargon: Tyrophagus casei L. Nur 0,5 Millimeter groß, acht Beine und daher ein Spinnentier, üppige Kieferklauen und lange Haare auf dem Panzer. So gibt sich die domestizierte Käsemilbe. Mit bloßem Auge ist sie nicht zu erkennen, in Masse hingegen schon. Ungefähr 50.000 dieser Winzlinge krabbeln in einer Packung Würchwitzer Milbenkäse. Unterm Mikroskop, durch das Sie bei jeder Verkostung gern einen Blick werfen dürfen, sehen unsere Käsemilben wie gefährliche Monster aus. Jetzt können Sie immer noch entscheiden: hop oder top?. By the way: Die meisten tun’s!

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Heimat & Historie

Weltweit einmalig

Das gibt es nur im Burgenlandkreis von Sachsen-Anhalt: Käse, der mithilfe von Käsemilben hergestellt wird. Seit über 500 Jahren frönt der Landstrich der Herstellung dieser ebenso kulinarischen wie krabbeligen Spezialität. So gut wie alle Dörfer, Höfe, Bauern und Großmütter hatten dort durch alle Zeitenwenden hindurch die Herstellung von Milbenkäse inne – in einem Umkreis von etwa 20 km rund um Altenburg. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges ging das so, Milbenkäse wurde massenhaft hergestellt. Doch dann, zu DDR-Zeiten, musste diese schöne Tradition fast ihrem Ende entgegensehen, denn die Obrigkeit der DDR hatte per Lebensmittelgesetz die Herstellung und den Vertrieb milbenbefallener Produkte verboten; nur wenige stellten Milbenkäse noch für private Zwecke her. Mit der Wende jedoch änderte sich das. Die Verbote fielen und der ortsansässige Helmut Pöschel entdeckte seine Leidenschaft. Er übernahm von seiner Mutter einen letzten Stamm an Käsemilben und machte das, was auch seine Urgroßmutter und Großmutter schon gemacht hatten: Milbenkäse. Er investierte viel Zeit und ein gutes Händchen in die Käsemilben, er rettete die Tradition und die Rarität vorm Vergessen. Und so ist dieses in jüngster Zeit fast ausgestorbene Milbenkäse-Tun heute lebendiger denn je, wenn auch nur noch in einem einzigen Dorf: im beschaulichen Würchwitz bei Zeitz.

Käsekisten-Biotop:

Millionen Milben in Munitionskisten

Schön luftfeucht, schön dunkel, schön kühl. So haben es unsere Käsemilben gern. Aus diesem Grund leben sie bei uns in alten Munitionskisten aus unbehandeltem Holz. Hier herrschen im Durchschnitt 15 °C, Dunkelheit und 100 % Luftfeuchtigkeit, was wir per Smartphone überwachen. Gut 250 Millionen der lichtscheuen Hausgenossen tummeln sich in jeder Kiste. Dabei verrichten sie ihre Arbeit und stellen Milbenkäse her. Öffnet man die Kisten, dann schießt einem ein beißender ammoniakartiger, zitroniger und erdiger Geruch in die Nase. Der Geruch kommt von den Ausscheidungen der Käsemilben und von Abwehrsekreten, die sie bei Gefahr absondern, etwa wenn man den Milbenkäse entnimmt. Die Käsestücke liegen in den Käsekisten mitten in der Masse aus Milben. Von weitem sieht diese Masse wie brauner Zucker aus. Bei genauerem Hinsehen erkennt man: Die Masse bewegt sich! Unser Käsekisten-Biotop trägt übrigens auch dem Fortpflanzungsbegehr der Käsemilbe Rechnung. Unter den genannten Bedingungen legen sie haufenweise Eier ab und vermehren sich explosionsartig, vor allem im Hochsommer und Frühherbst. Doch auch Kannibalismus ist im Biotop à la carte: Abgestorbene Käsemilben werden von ihren Artgenossen einfach verzehrt.

Herstellung:

Vom Magerquark zum Milbenkäse

Milbenkäse entsteht in sauberer Handarbeit und in freundschaftlichem Zusammenwirken mit Tyrophagus casei L. Und zwar nach einem Rezept aus dem Mittelalter: Man nehme Magerquark aus Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch und trockne ihn, bis er krümelt, aber noch klebt. Wichtig dabei: Der Magerquark muss Bio sein, denn Käsemilben sind wählerisch, an herkömmlichen Quark gehen sie einfach nicht ran. Hernach wird geklitscht, so der Volksmund. Dafür würzen wir den Magerquark mit Kümmel, Salz und getrockneten Holunderblüten und formen aus der Masse daumengroße Rollen und Birnen. Das Ganze lassen wir anschließend nochmals trocknen. Nicht zu lang, sonst ist der Quark zu hart, und die Käsemilben können nicht daran knabbern, und nicht zu kurz, sonst ist der Quark zu weich und die Käsemilben bleiben daran kleben. Viel Erfahrung, das richtige Timing und das richtige Händchen sind hier eben alles. Nach der Trocknung geht es an die Fütterung: Millionen der staksenden Achtbeiner machen sich nun ans Werk. Ihre Aufgabe: Den Magerquark essen und dabei reichlich ausscheiden. Denn das fermentiert den Magerquark zu Milbenkäse und lässt ihn überhaupt erst reifen. Der Milbenkäse reift dabei von außen nach innen und einzig durch das Wirken der Milben. Doch damit ist es nicht getan. Täglich lüften wir die Käsekisten, wenden die Käsestücke, füttern die Winzlinge mit Roggenmehl, damit sie nicht zu viel vom Käse fressen, und hegen und pflegen sie, bis der Milbenkäse reif ist. Das dauert im Schnitt drei Monate. Alles in allem bleiben von einem Rohkäse am Ende gut die Hälfte Milbenkäse übrig und ist reif für den Verzehr.

Reifegrade:

Weich bis hart, hell bis dunkel

In puncto Reifegrade ist der Milbenkäse ein echter Virtuose: Nach drei Monaten in der Käsekiste gibt er sich außen hellbraun und innen weiß und weich. Nach einem halben Jahr jedoch strahlt sein Inneres bernsteinfarben und wird fester. Und nach einem ganzen Jahr haben wir es dann schon mit einem Hartkäse zu tun, der außen fast schwarz ist. Der Geschmack wird mit zunehmendem Alter übrigens immer intensiver.

Verzehr:

Nicht jedermanns Sache, aber für Gourmets das Non-plus-ultra

Für die einen gewöhnungsbedürftig, für die anderen genial: Die Käsemilben isst man mit. Denn gerade die tollkühnen Winzlinge auf der Milbenkäse-Kruste sind es, die der Delikatesse ihr besonderes Arom verleihen. Jedes Jahr besuchen uns Tausende Touristen, vor allem aus Deutschland, aber auch aus Russland, Japan und den USA, um sich das nicht entgehen zu lassen. Der TV-Koch Steffen Henssler kredenzte in der Vox-Sendung „Grill den Henssler“ einen Caesars-Salad mit Milbenkäse, und im Weimarer Hotel Elephant komponierte der Sternekoch Marcello Fabbri ein Dessert aus Milbenkäse und karamellisierten Honigbirnen. Milbenkäse beflügelt eben die Phantasie. Manchmal jedoch in die falsche Richtung. Insofern: Wer die Käsemilben nicht essen mag, wer sich ekelt, Angst hat oder Vegetarier ist, der kann die Käsekruste entfernen. Auch wenn das leider auf Kosten des Geschmacks geht und für Kenner freilich ein absolutes No-go ist.

Geschmack & Wirkung:

Passend zu Bier und Butterbrot, zu Leib und Liebe

Milbenkäse schmeckt gut und tut gut: Sein Genuss soll gegen Hausstaubmilbenallergie helfen, die Verdauung anregen und: die Liebe beflügeln. Besonders im Mittelalter schätzten Kenner Milbenkäse als wohlschmeckendes Aphrodisiakum. Entsprechende und altbewährte Geschmacksvorschläge aus dem Burgenland: Man schneide eine Scheibe altbackenes Mischbrot vom Vortage ab, beschmiere es mit reichlich frischer Butter und belege sie mit hauchdünnen Milbenkäsestücken. So zubereitet intensiviert sich der Genuss. Eine Garnitur aus frischer Petersilie krönt die Appetitlichkeit. Als passendes Getränk empfiehlt sich ein Glas Bier, ein Gläschen Wein oder auch eine Tasse Kakao. Ein weiterer Milbenkäse-Leckerbissen: die „Würchwitzer Milbenkäsebutter“, wegen der langen Reifezeit des Milbenkäses auch „Bummlerbutter“ genannt. Hierfür nehme man geriebenen Milbenkäse und vermenge ihn mit Butter. So einfach entstehen ein schmackhafter Käseaufstrich und ein Friedensangebot an Vegetarier, da keine lebenden Milben enthalten sind. Übrigens: Die Käsemilben schmecken ähnlich wie der Käse. Bei Milbenkäseknappheit streut der Gourmet daher nur Käsemilben aufs Brot. Herzhaft und appetitanregend geht also auch ohne Käse.

Haltbarkeit

Sehr lang, wenn man sich bescheiden kann

Milbenkäse hält, was er verspricht. Und das über einen ziemlich langen Zeitraum. Trocken gelagert hält sich der Milbenkäse gut 30 Jahre. Zumindest konnten wir das bei einzelnen Exemplaren nachweisen. Denkbar ist, dass er sich auch noch länger hält, sofern Sie der Appetit nicht packt.

Preis

Von bis. Je nach Reifegrad.

Wie beim Wein so gilt auch beim Milbenkäse: Je länger er liegt und von Hand gehegt und gepflegt wird desto kostbarer und teurer ist er. In Abhängigkeit vom Reifegrad kosten 100 Gramm der krabbeligen Delikatesse zwischen neun und hundert Euro. Tausende Käsemilben selbstverständlich inklusive.

Erforschung der Käsemilbe

Von Tokio bis Wales

Hätten Sie’s gewusst? Gut eine Million Milben-Arten krabbeln über unseren Globus, wirklich erforscht hingegen sind nur etwa 35.000. Vor allem in der Allergieforschung spielt die Milbe eine Rolle, nicht nur die Hausstaubmilbe, sondern auch ihr Gegenspieler, unsere Käsemilbe. Wir sind dahingehend im Kontakt zu universitären Forschungsteams in Wales und Tokio. Auch experimentieren mehrere Pharmaunternehmen mit Käsemilben, weil sie gegen Hausstauballergien desensibilisieren sollen. Geforscht wird zudem in Sachen Geschmack. Woher kommt das zitronige Arom im Milbenkäse? Dieser Frage gingen der Milbenkundler Dr. Michael Heethoff und sein Doktorand Adrian Brückner der TU Darmstadt auf den Grund. Ihre Erkenntnisse: Käsemilben halten sich Feinde mit einem Wehrsekret vom Leib. Und in eben diesem Sekret steckt Neral, eine wesentliche Komponente des Zitronenöls. Das fruchtige Bouquet des Milbenkäses entsteht also weder durch die besondere Art der Herstellung noch ist es im Käse selbst enthalten. Es entsteht einzig durchs Schneiden und Zerkauen der Delikatesse. Will heißen: Wer den Geschmack vollends auskosten möchte, muss die Käsemilben mitessen.

Testings im Labor

Alles krabbelig, nicht kribbelig

Milbenkäse ist eine safe Sache. Ein bis zwei Mal pro Jahr prüft das Gesundheitsamt unsere MilbenkäseManufaktur. Zudem schicken wir selbst regelmäßig Proben in Lebensmittellabore. Unser Milbenkäse wird also ganz offiziell und fortwährend mikrobiologisch und hygienisch überwacht. Interessant ist: Milbenkäse enthält so gut wie keine Bakterien, keine Pilze und keine schädlichen Keime. Der Ammoniak im Käsemilben-Speichel hält diese fern. Anno 1996 hatte erstmals das Lebensmittellabor des Biologisch Chemischen Instituts Hoppegarten in Dahlwitz-Hoppegarten mehrere Milbenkäseproben von einem amtlich zugelassenen Sachverständigen untersuchen lassen. Die Ergebnisse: vorbildlich. Weder Schimmelpilze, noch Salmonellen oder gar andere schädliche Keime wurden in den Proben festgestellt. Und das ist bis heute so. Manch anderer Käse würde sich derart ausgezeichnete Testergebnisse wünschen, oder?

Die Gründer

Milbionäre aus Genuss und Leidenschaft

Dürfen wir vorstellen: Helmut Pöschel, pensionierter Lehrer für Biologie, Chemie und Kunst, und Christian Schmelzer, promovierender Theologe und Strategieberater in Berlin, der aus der Nähe von Würchwitz stammt und zwischen beiden Welten pendelt. Gemeinsam gründeten Pöschel und Schmelzer 2006 die Würchwitzer MilbenkäseManufaktur, die ihren Sitz nebst MilbenkäseMuseum auf dem Hof von Helmut Pöschel hat. Es ist deutschlandweit das einzige Unternehmen, das Milbenkäse herstellen und verkaufen darf. Ohne jeden Anflug von Größenwahnsinn bezeichnet das Gründer-Duo sein kleines Unternehmen als das wohl größte der Welt. Denn immerhin verfüge es über Millionen Mitarbeiter. Achtbeinige, versteht sich. Kommen Sie vorbei und überzeugen Sie sich selbst.

Helmut Pöschel
alias „Humus“

Manufacturing, Monitoring und Vertrieb

Christian
Schmelzer

Geschäftsführung, Produktdesign und IT